Bo von der Heyden ist Expertin für High Performance Teams und Modern Leadership. Wir kennen uns schon seit sieben Jahren aus ihrer Zeit bei Zalando. Sie ist seit einiger Zeit als freie Beraterin in Zürich aktiv und begleitet Teams in größeren Unternehmen. Bo hat einen YouTube Kanal zum Thema High Performance Teams und Modern Leadership.
Wenn man sich das vor Augen führt, dass 85 Prozent der Mitarbeiter nicht engagiert sind, ist das eine unglaubliche Verschwendung von Potenzial.
Kultur ändert sich nicht von Heute auf Morgen und das ist vielleicht auch ganz gut so.
Was ist der dritte Punkt, um ein High Performance Team zu werden?
Bo: Diversität ist der dritte Punkt. Ich finde, wenn man Diversität nur als Gender- oder Altersfrage versteht, dann kratzt man nur an der Oberfläche. Das Problem der Diversität ist, dass ein diverses Team zu Reibungsverlust führt, wodurch es schlechter performt. Ich glaube aber schon, wenn Du eine klare Mission hast und das Team ausgerichtet ist, dass man ein "same Mindset, divers Skillset" braucht. Man muss diese Mission erreichen wollen und Lust haben. Das Skillset muss aber divers sein, weil wir dann unser Ziel schneller erreichen. Sobald die Leute das bemerken, führt das zu besserer Performance.
Arne: Okay, drei von fünf Punkten haben wir. Was ist Punkt vier, Bo?
Bo: Failure Management, also Fehlerkultur. Mit Agilität will man genau das, man will scheitern! Aber gerade in traditionellen Unternehmen ist das noch so tief verankert, dass man keine Fehler machen darf, sodass an gescheiterten Projekten festgehalten wird, weil keiner das Gesicht verlieren will. Man verschwendet Ressourcen - Menschen, Zeit, Geld - weil man an diesen Fehlern festhält und weil die Kultur es nicht zulässt, dass man den Fehler zugibt und mit etwas Neuem startet.#
Arne: Ich kenne das auch aus Digitalprojekten, dass viele Auftraggeber sich MVP (Minimum Viable Product*), weil es preiswerter ist und schneller geht. Dort ist das Scheitern schon mit eingebaut. Was hast Du diesbezüglich beobachtet in Richtung Fehlerkultur?*(ein Produkt mit minimalen Anforderungen und Eigenschaften)
Bo:
Ich habe auch das Gefühl, oft sind die Unternehmen so weit hinterher im Thema Digitalisierung, dass sie das Gefühl haben, sie können sich keine Fehler leisten.
Traditionelle Unternehmen, die 100 bis 200 Jahre alt sind und jetzt digitalisieren müssen, für die ist das ein riesiger Akt. Die Jüngeren rennen ihnen relativ schnell den Rang ab. Und das vergrößert diese Angst, nicht scheitern zu dürfen, hinterherlaufen zu müssen und sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Die Bereitschaft, in Innovation zu investieren, ist gar nicht erst da. Der Fokus ist einfach woanders.
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Arne: Für viele Unternehmen wäre es schon innovativ, mit Scheitern anders umzugehen. Die Wissenschaft ist dafür ein schönes Beispiel. Jemand hat eine Hypothese und aus dieser Hypothese entstehen Theorien. Diese Theorien werden von anderen Wissenschaftlern entweder bestätigt oder widerlegt. Und das ist auch gut so, weil Weiterentwicklung stattfindet. Grundsätzlich ist die Haltung dahinter, die Unwissenheit zu beleuchten. Ich glaube, wenn ich so eine Kultur im Unternehmen habe, dass wir keine Fehler machen dürfen, dann findet auch wenig Weiterentwicklung statt und dann wird das Unternehmen auch relativ einfach abgehängt von jungen Unternehmen.
Bo: Man muss auch dazu sagen, die Mitarbeiter sind das so gewohnt und sie wollen es auch teilweise so. Sie haben Angst, Fehler zu machen und oft wollen sie gesagt bekommen, was sie zu tun haben. Auf dieser Ebene klappt das in der heutigen Zeit aber nicht mehr.
Arne: Was ist Punkt Nummer fünf, um aus einem Team ein High Performance Team zu machen?
Bo: Der fünfte Punkt ist Servant Leadership. Die vorangegangenen Punkte haben auch mit Führung zu tun, aber ich fand es wichtig, das nochmal einzeln zu nennen und sich dazu Gedanken zu machen. Was heißt überhaupt Servant Leadership?
Wie kann ich meine Mitarbeiter empowern* und enablen? Was brauchen sie denn? Ich glaube, immer mehr Leute verstehen, dass sie Command & Control nicht mehr machen können. Die Führungskräfte müssen sich als Coach verstehen.
Arne: Servant Leadership bedeutet "dienende Führung", was nicht bedeutet, dass die Führungskraft der Diener des Angestellten ist, sondern dass die Führungskraft der Weiterentwicklung des Mitarbeiters dient. Ich glaube, dass einer der wichsten Aspekte hierbei Sicherheit ist. Mitarbeitern einen sicheren Rahmen zu geben, in dem sie sich frei entfalten können, ohne Angst haben zu müssen, dafür diskreditiert zu werden oder sich Aufstiegschancen zu verbauen.
Bo: Ich finde das auch ganz interessant, wenn ich an meine Zeit bei Zalando denke und an die Erfahrung hier in den traditionelleren Konzernen. Ich habe das Gefühl, alle wollen sein wie Zalando. Junge Unternehmen haben eine modernere Führung, weil die Führungskräfte jung sind und es auch aktive Entscheidungen dafür gibt. Zalando hat keine Kultur, die 200 Jahre besteht, sondern eine Kultur, die ein bis zehn Jahre besteht. Am Ende wollen auch die Traditionellen da hin, wo die Jüngeren sind, was Führung und das Verständnis der eigenen Firma angeht.
Arne: Mit welcher Intention kommen die Unternehmen zu Dir? In meiner Welt gibt es zwei Motivationsperspektiven, einmal "von weg" und "hin zu". "Von weg" bedeutet, ich habe Probleme und muss jetzt etwas tun, und "hin zu" bedeutet, nach vorne auf ein Ziel hinzuarbeiten. Wie erlebst Du das? Wirst Du eher gerufen, weil es schon brennt, oder weil die Unternehmen ein klares "hin zu" haben?
Bo: Ich glaube, es ist beides. Den Schweizer Unternehmen, die ich bisher gesehen habe, geht es grundsätzlich ganz gut. Es gibt keine wirtschaftlichen Probleme oder den Druck, dass sie zwingend Veränderungen benötigen. Oft entschließen sie sich dazu, aus diesem Wohlstand heraus zu sagen: Wir wollen uns ändern, wir wollen agiler werden. Und sie merken gerade in den IT-Projekten, dass das Traditionelle einfach nicht mehr funktioniert. Viele von den größeren Unternehmen implementieren diese Frameworks, was auch ein guter erster Schritt ist.
Arne: Erzähl’ uns mal ein bisschen von Scrum*. Was macht Scrum überhaupt aus?
Bo: Scrum kennt drei Rollen und fünf Events. Die drei Rollen sind der Scrum Master, der Product Owner (PO) und das Development Team.
Das Team ist crossfunktional, das heißt alle, die für die Entwicklung des Produkts gebraucht werden, sind im Team. Der Product Owner priorisiert die Tasks, hat ein Bild davon, wie das Produkt am Ende aussehen soll und ist die Schnittstelle zu den Kunden. Der Scrum Master ist menschlich-methodisch verantwortlich. Er versucht das Team zu befähigen, er ist also der Servant Leader. Der Scrum Master ist derjenige, der in einer Organisation den Wandel zur Agilität vorantreiben soll.Des Weiteren gibt es fünf Events. Das erste ist der Sprint, der in der Regel zwei Wochen dauert. In diesen zwei Wochen entwickelt man einen Teil von dem Produkt, was man zu Beginn des Sprints im Planning bespricht. Es werden nur diese zwei Wochen geplant, deshalb ist es gut vorhersehbar. Es erfolgt jeden Tag ein Daily, das heißt, das Development Team kommt jeden Tag für 15 Minuten zusammen und berichtet, was am Tag zuvor bearbeitet wurde, um das Sprint Goal zu erreichen und welche Probleme es aktuell gibt. Am Ende der zwei Wochen hat man ein Review Meeting, bei dem das fertige Produktinkrement dem PO und den potenziellen Kunden präsentiert wird. Alle zwei Wochen kann das Produkt angepasst und gemeinsam entschieden werden, wie weiter vorgegangen werden soll.
Das fünfte Event wird Retro Meeting genannt. Hier wird der Sprint bzgl. der Fragen analysiert:
Wie hat es zwischenmenschlich geklappt?
Welche Tools haben wir und wie können wir besser werden? Anschließend beginnt der Prozess von Vorne.
Arne: Danke dafür, dass Du uns durch das Scrum-Thema durchgeführt hast. Können Unternehmen Scrum auch außerhalb der Software-Entwicklung einsetzen? Begleitest Du bereits Teams dabei?
Bo: Ja. Scrum ist mittlerweile wirklich in allen Abteilungen zu sehen. Ich sehe auch nicht, was dagegen sprechen sollte. Scrum ist eine neue Form der Zusammenarbeit, die sich vermutlich in allen Bereichen durchsetzen wird.
Arne: Ich habe zum Abschluss noch drei persönliche Fragen. An welcher Herausforderung bist Du in letzter Zeit gewachsen?
Bo: Vermutlich war eine der größten Herausforderungen der Tod meines Vaters, der relativ plötzlich war und ich mich ziemlich alleine auf der Welt gefühlt habe. Ich glaube, daran bin ich gewachsen.
Arne: Welche Erfahrung war Dein wichtigstes Learning zum Thema Führung?
Bo: Rückblickend, wenn ich an meinen alten Chef bei Zalando denke, wie er mit den Leuten umgegangen ist. Das war eine wertvolle Erfahrung für mich.
Arne: Und die letzte Frage: Wem möchtest Du gerne danken und wofür?
Bo: Es gibt nicht den einen Menschen, dem ich danken möchte. Ich glaube, es gibt sehr viele wertvolle Begegnungen.
Vielen Dank, Bo, für Deine Zeit und das tolle Interview!
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